Alex's Home
  Kaddish
 
 
Bevor Ihr diese Story lest, muss ich eine kleine Warnung aussprechen. Diese Story beschäftgt sich mit den von den Nazis im Zweiten Weltkrieg begangenen Greueltaten an Juden in KZs und anderorts. Ich bitte dringend darum, diese Geschichte nicht zu lesen, wenn Ihr Euch damit nicht auseinandersetzen wollt.
 
Kaddish
 
Sie war da. Er hatte sie gesehen, er hatte sie beide gesehen.
Die Jägerin und die Hexe. Doch sie hatten sich nicht gesehen.
Wieso hatten sie sich nicht gesehen?
Die Jägerin war ihm wie ein erlösender Engel erschienen, als sie ihn nach den Zombies gefragt hatte.
Doch sie war wieder gegangen und hatte ihn mit den anderen allein gelassen.
Spike stöhnte auf. Wenn doch nur die Stimmen ein bisschen leiser wären.
Mussten sie denn so laut schreien?
„Haltet verdammt noch mal euer Maul!“ Spikes Stimme hallte von den Wänden des Heizungskellers wieder.
Er drehte sich um sich selbst und riss die Arme hoch, um sich die Ohren zuzuhalten.
„Ich hab gesagt, ihr sollt still sein! Seid still!“
Die Stimmen verstummten, er setzte sich auf eine alte Kiste und stützte den Kopf in die Hände.
Doch als er ihren Singsang hörte, hob er ihn wieder.
Da war sie, ihr Gesicht der Decke zugewandt, drehte sie sich im Kreis.
Ihre Arme hatte sie ausgebreitet und sang selbstvergessen vor sich hin.
Er kannte die Melodie nicht, aber wahrscheinlich war es ein Kinderlied.
Sie sang immer Kinderlieder.
Sie verhielt mitten in der Bewegung und ihre Augen fixierten ihn.
„Mein Spike. Sie hat dich verlassen. Siehst du? Sie wird dich immer verlassen, denn du verdienst es nicht, geliebt zu werden.“ Wieder blickte sie gen Decke.
„Spike?“ Ihre Stimme wurde weinerlich.
„Ich kann die Sterne nicht sehen. Wieso sind sie nicht da?“
Wie hypnotisiert starrte der Vampir sie an.
„Geh weg, Dru.“ Er hatte nicht einmal mehr die Kraft zu schreien.
„Ich kann nicht weggehen, Spike. Du lässt mich nicht, und du weißt, warum.“
Wieder begann sie zu summen und bewegte sich auf ihn zu. Fast schien es ihm, als würde sie wie früher über sein Haar streichen, doch er spürte keine Berührung.
„Spike?“ Er musste sich umdrehen, um sie weiterhin ansehen zu können.
„Erinnerst du dich an Treblinka?“ Diesmal war ihr Blick klar und scharf, als sie ihn ansah.
Er nickte und schloss die Augen. Er wollte nicht daran erinnert werden. Es würde den Funken in ihm nur weiter anfachen, würde ihn brennen lassen, bis er ihn verbrannte.
Spike stöhnte.
„Dru, nicht. Geh endlich, lass mich allein.“ Seine dunkle Göttin schüttelte den Kopf und schob schmollend die Unterlippe vor.
Mit einer einzigen Bewegung war sie neben ihm, und ihre Stimme war wie ein Flüstern an seinem Ohr.
„Du wirst uns nie wieder los, mein Liebling. Du hast uns gerufen und nun musst du mit uns leben. Jedes Licht hat auch seinen Schatten, mein Schatz. Erinnere dich an all die verloschenen Sterne. All die Sterne, die vom Himmel gefallen sind.“ Ihr Blick verklärte sich und sie begann wieder durch den Raum zu tanzen.
„Erinnerst du dich? All das Blut, all die Sterne?“
Spike schüttelte den Kopf, als wolle er dagegen ankämpfen.
Tränen rannen über seine Wangen, als er sich erinnerte.
 
Verdammt, wo war sie nur? Überall hatte er sie nun schon gesucht. Es wurde Zeit, dass sie endlich hier verschwanden. Die Gefahr war einfach zu hoch, IHNEN in die Hände zu fallen.
Sie waren schon viel zu lange in diesem Ghetto. Er stürmte in das nächste Haus auf der Suche nach seiner dunklen Göttin.
Ein leises Keuchen, das seinen Ohren nicht entrinnen konnte, ließ ihn sich zum Bücherregal umdrehen.
Spike hatte keine Mühe, das schnelle, ängstliche Klopfen mehrer Herzen in dem Versteck zu hören. Der Geruch der Angst lag so dicht in der Luft, dass selbst ein Mensch ihn gerochen hätte. Er schob ohne Anstrengung das Regal zur Seite und auch die dahinter locker aufgeschichteten Backsteine waren kein Problem.
Drei Paar ängstliche Augen starrten ihm entgegen. Die Frau drückte ihre Kinder fest an sich, so als könne sie sie vor ihm beschützen.
Es erstaunte ihn, dass sie nicht flehte und bettelte, sondern ihn nur stumm ansah und einfach wartete.
Ihr Herzschlag wurde langsamer und ruhiger, als sie sah, dass er allein war und nicht wie DIE aussah.
Irgendetwas an diesen Menschen rührte ihn.
Er wollte sich gerade abwenden und das Regal wieder an die Stelle rücken, als hinter ihm ein Summen ertönte.
„Mein Spike! Du hast drei Sterne gefunden. Sind sie nicht wundervoll?“ Dru trat neben ihn und fast hätte er erleichtert aufgeatmet.
„Verdammt Dru. Ich hab dich schon überall gesucht.“
„Kannst du ihr Leuchten sehen, mein Geliebter?“ Sie kam näher heran und sah auf das kleine dunkelhaarige Mädchen hinab.
Spike ließ sie keinen Moment aus den Augen. Dru war unberechenbar und in dieser Zeit, wo die Mahlzeiten sozusagen auf der Straße lagen, war sie schon mehr als einmal in einen Blutrausch geraten, der selbst den Deutschen nicht entgangen war.
„Schau sie dir an, Spike. So hell, so klar war ihr Leuchten. Die hellsten Sterne am Firmament, so nah bei Gott.“
Fast zärtlich streichelte sie dem Kind über die Wange und die Frau zog es mit einem erschrockenen Keuchen noch enger an sich.
„Doch siehst du, wie ihr Stern sinkt? Wie sie alle vom Himmel fallen? So viele Sterne, Spike. Und sie verlöschen alle. Der Teufel holt sie alle herunter und zertrampelt sie. Spike?“ Ihre Stimme war die eines weinenden Kindes.
„Wieso löscht er meine geliebten Sterne aus?“
Drusillas kindliches Gesicht verwandelte sich in die grauenerregende Maske ihres Dämons.
 
Spike stöhnte unter den Qualen der Erinnerungen.
„Hör auf, Dru. Geh, lass mich!“
Er versuchte, nach ihr zu schlagen, doch sie lachte nur verzückt auf.
„Nicht ich quäle dich, mein Geliebter. Du hast es so gewollt, du hast den Funken entfacht, der dich nun verbrennen wird. Mein Spike wird verbrennen, genauso wie damals die Sterne.“
 
Die Frau schrie erstickt auf, doch sie saß in der Falle.
„Liebes, komm schon, lass sie. Früher oder später werden die Deutschen sie eh finden.“
Doch Dru war nur noch Dämon. Die Angst der Frau hatte eine unbezwingbare Wirkung auf sie.
„Ich will nicht, dass er mir all meine Sterne nimmt.“ Sie lächelte.
Es war ein grausames Lächeln, das Spike nur allzu gut kannte.
Dann wandte sie sich um und betrat das winzige Versteck.
Einen Moment versuchte Spike, seinen Dämon niederzuringen, selbst für ihn war das Leid dieser Menschen spürbar. Doch dann löschte der Geruch des Blutes alles Menschliche in ihm aus.
 
Zu spät hörten sie die schweren Stiefeltritte auf der Treppe.
„Keine Bewegung. Rauskommen.“
Spike drehte sich um und sein menschliches Gesicht erschien wieder, bevor er sich vollends umgewandt hatte.
Verflucht, mindestens zehn Gestapomänner standen in dem kleinen Raum.
Und er hörte noch bestimmt ein Dutzend anderer auf der Treppe, die die anderen Wohnungen durchsuchten.
Es wäre für ihn ein Leichtes gewesen, diesen hier zu entkommen, doch dann hätte er Dru zurücklassen müssen. Sie war noch immer zu schwach, zu krank.
Er warf einen Blick hinter sich und versuchte so gut es ging, den Männern in den braunen Uniformen den Blick zu versperren.
„Rauskommen, Pack!“
Der Mann vor ihm machte eine Bewegung mit der Pistole in seiner Hand, die Spike nicht missverstehen konnte.
Vorsichtig ging er auf den Mann zu.
„Die Frau auch!“
Der Vampir warf einen kurzen Blick hinter sich und sah, wie Dru selbstvergessen auf den Gestapomann starrte.
Sie hob den Blick und Spike wusste im selben Moment, dass sie verloren waren.
„Spike? Sie sind gekommen. Aber ich habe meine Sterne vor ihnen gerettet. Spike?“ Sie ging ohne das geringste Zögern auf den Mann zu, wich jedoch kurz vor ihm mit einer katzenartigen Bewegung zurück und stellte sich halb hinter ihren Geliebten.
„Ich habe noch immer Hunger! Aber ich will sie nicht. Ihr Blut ist vergiftet. Es schmeckt nicht.“
„Was redet das Weib da?“ Der Mann wartete die Antwort gar nicht erst ab, sondern fuchtelte mit der Pistole herum und bedeutete Spike aus dem Raum zu gehen.
Vor sich fünf schwer bewaffnete Männer und hinter sich mindestens noch einmal so viele stieg Spike mit Dru an der Hand die Treppe hinunter und trat hinaus.
Er konnte den Morgen förmlich kommen spüren.
Nun musste er schnell handeln, sonst waren er und seine dunkle Göttin den Strahlen der Sonne unweigerlich ausgesetzt.
Auch in solch düsteren Zeiten ging die Sonne auf und brachte das Elend der vergangenen Nacht nur zu deutlich zum Vorschein.
Schon waren die ersten mit ihren Totenkarren unterwegs, um die Leichen der vergangenen Nacht auf ihnen zu stapeln.
Selbst Spike staunte über die Gefühllosigkeit, die sich mit jedem Tag stärker im Ghetto ausbreitete.
Seine Aufmerksamkeit wandte sich wieder seinem Problem zu, als Dru hinter ihm zu schluchzen begann.
„Ich will hier fort, Spike. Der Morgen tut mir weh.“
„Mund halten, da!“ Der Kommandierende kam aus dem Gebäude. Hinter ihm mehrere seiner Männer und diejenigen, die sie in dem Haus gefunden hatten.
Kein Versteck war gut genug, als dass sie es nicht fanden. Vor allem in der Nacht.
Und Spike wusste auch warum, als er unter den Uniformierten einige Vampire spürte.
„In einer Reihe aufstellen, dreckiges Judenpack!“ Der gebellte Befehl verfehlte nicht seine Wirkung auf die verängstigten Gefangenen.
Dru jammerte lauter.
Spike versuchte sie zu beruhigen, doch er wusste, dass seine Geliebte aus Angst vor dem Tagesanbruch fast den Verstand verlor.
„Maul halten!“
Drusilla verstummte und kurz erschien ihr Dämon an der Oberfläche.
„Du da! Raustreten!“
Der Kommandierende zeigte auf Spike.
Mist. Was sollte er jetzt tun? Zögerte er, würden sie ihn zweifelsohne einfach erschießen. Zögerte er nicht, dann musste er Dru allein lassen.
Noch bevor er sich entschieden hatte, hörte er den Befehl und sah wie ein Mann sein Gewehr anlegte und schoss.
Er spürte den Schmerz und hörte Dru aufschreien. Dann wurde alles dunkel um ihn.
 
 
Spike sah auf, als das Summen verstummte. Sie war weg.
Er stieß einen erleichterten Seufzer aus und suchte in seiner Jacke nach dem Päckchen Zigaretten. Mit zitternden Fingern entzündete er eine.
Tief inhalierte er den Rauch. Als er ihn ausstieß, versuchte er auch mit ihm die Erinnerungen auszustoßen.
„Du wirst sie nicht los. Sie sind in dir, in deiner Seele. Und sie werden dich nie wieder loslassen.“
Erschrocken hob er den Kopf, als er die ihm unbekannte Stimme hörte.
Die Stimme kannte er nicht, doch das Gesicht der Frau war das jener Mutter hinter dem Bücherregal.
„Nein!“ Ein entsetzter Laut entwich seinen Lippen, als er voller Grauen auf sie starrte.
„Oh doch. Auch ich bin ein Geist, der dich nie wieder verlassen wird. Was hast du getan?
Sie waren noch so klein. So jung. Noch nicht einmal ein Viertel ihres Leben hatten sie gelebt.
Das Versteck war so sicher, doch du hast sie zu uns geführt. Hast den Dämon geweckt, der ihr Leben ausgelöscht hat!“
Sie kam auf ihn zu und er wich zurück bis an die klamme, kalte Mauer des Kellers.
„Erinnerst du dich an ihre Gesichter, Spike? An ihre unschuldigen Gesichter? So viele waren es in jenen Tagen!“ Ihre Stimme verlor sich und ihr Gesicht wurde leer und ausdruckslos.
 
Spike erwachte, weil sein Bein höllisch schmerzte. Einen Moment wusste er nicht wo er war, bis der Geruch verbrannten Fleisches in seine Nase drang.
Das war eigentlich nichts ungewöhnliches zu dieser Zeit.
Man verbrannte diejenigen, die des Nachts gestorben waren, um Seuchen zu verhindern.
Spikes Mund verließ ein Schmerzenslaut und endlich kam Bewegung in ihn.
Er sprang auf und hechtete in den schützenden Schatten des Hauseingangs.
Fluchend versuchte er den schwelenden Qualm auf seinem Bein zu ersticken und war froh, dass er im Schatten der Häuserwand gelegen hatte, so dass die Sonne keinen größeren Schaden hatte anrichten können.
Lange konnte er nicht tot gewesen sein. Die Sonne war gerade erst dabei aufzugehen.
Wieder fluchte er, als er daran dachte, dass Drusilla noch immer unter den Gefangenen war.
Da keine Spuren von den Gefangenen da waren, mussten sie also zum Umschlagplatz gebracht worden sein.
Zum Bahnhof, dessen Züge nicht, wie man den Gefangenen erzählte, in ein neues Leben fuhren, sondern einzig in den Tod.
Spike war schon öfter dort gewesen. Hatte zugesehen, wie im Morgengrauen die Menschen auf dem Bahnhof wie Vieh zusammen getrieben wurden.
Dann mussten sie sich in Gruppen aufteilen. Alte und Junge, Männer und Frauen mit Kindern.
Sie wurden in die Waggons gestoßen und wenn diese sich in Bewegung setzten, konnte man noch immer die Hoffnung der Menschen spüren, doch zu überleben.
Spike hatte die Soldaten reden hören, wenn der Zug abfuhr.
Lachend teilten sie sich, was sie den Juden abgenommen hatten und trieben dann die Alten auf Lastwagen. Spike wusste nicht, wohin sie diese brachten, aber er hatte die leeren Lastwagen gesehen, wenn sie nach einiger Zeit wiederkamen.
Er hatte das Blut gerochen, das ihnen anhaftete und nicht nur einmal hatte er Dru mit Gewalt zurückhalten müssen.
Für ihn und seine Geliebte war der Tisch immer üppig gedeckt, denn noch immer wurden täglich neue Juden aus dem umliegenden Land ins Warschauer Ghetto gebracht.
Doch trotz alledem blieb auch bei Spike ein leises Unbehagen, wenn er sah, mit welcher Gefühllosigkeit und Unmenschlichkeit die Gestapo ihre Arbeit verrichtete.
Er tauchte abrupt aus seinen Gedanken auf, als er das Knattern eines Motors hörte, das sich schnell näherte.
Er schlüpfte ins Haus und wartete so lange, bis selbst sein Vampirgehör das Auto nicht mehr wahrnahm.
Er musste unbedingt zum Bahnhof und Dru da rausholen.
Er kannte den Weg dorthin gut und Ruinen, Häuser und Kanalisation schützten genug vor der Sonne, um den Umschlagplatz gefahrlos erreichen zu können.
 
Spike fuhr sich durch die Haare und wanderte ruhelos durch den engen Raum.
Er wusste, er musste hier raus, sonst würde er noch verrückt werden. Aber sie ließen ihn einfach nicht. Sie hielten ihn fest mit ihren Erinnerungen, mit denen sie ihn quälten.
Wieder schrieen sie alle auf ihn ein. Er verstand nicht, was sie schrieen, ihre Stimmen waren ein einziges Chaos in seinem Kopf.
Er hatte sie schon versucht loszuwerden. Auf die verschiedensten Weisen, doch nichts hatte geholfen.
Und seine Wunden heilten schlecht, da er hier bis auf ein paar Ratten nichts gefunden hatte.
„Spike?“
Er wollte die Stimme ignorieren, wollte sie nicht hören. Sie quälte ihn am meisten. In der einen Minute war sie warm und heilend, um in der nächsten Sekunde zu foltern und zu quälen. Sie folterte seine Seele und quälte ihn mit Erinnerungen.
„Spike, du weißt es. Ich bin die eine, die wahre. Du brauchst mich. Bin ich nicht alles, was du dir von ihr erhofft hast? Bin ich nicht so viel mehr?“
Hilflos nickte er. Wie gerne hätte er sie berührt, ihre tröstenden Berührungen gespürt. Seine Rettung, seine Heilung, seine Jägerin.
Doch schon verwandelte sie sich, wurde wieder zu seiner dunklen Göttin, die um ihn herumtanzte und glücklich vor sich hinsummte.
„Mein Geliebter. Das war ein Festmahl. Ich habe ihr Leuchten in mich aufgenommen. So voller Hoffnung waren meine geliebten Sterne, aber ich habe gewusst, dass es erlischt.“
Ihr weiche Stimme änderte sich, wurde wehleidig.
„Aber es war nicht nett, mich in diesen Waggon zu sperren. Nein, die Sonne tat mir weh, sie mochte es nicht, dass ich ihr die Sterne nahm.“
Der Dämon zeigte sich auf ihrem Gesicht und sie krümmte ihre Finger zu Krallen.
Fauchend kratzte sie ihm durchs Gesicht, hinterließ jedoch keine Spuren, denn ihre Berührungen waren nicht real, konnten ihn nicht verletzten.
Doch die Erinnerungen konnten es.
 
Er kam zu spät.
Im Licht der aufgehenden Sonne sah er wie der Zug anfuhr und das Rattern der Räder begleitete seinen Fluch, als er ihm nachsah.
Er wusste, dass sie ihn einem dieser Waggons war, er spürte es förmlich.
Und er wusste auch wo dieser Zug hinfuhr und das Drusilla durch das Licht des Tages daran gehindert werden würde, diesen Zug zu verlassen.
Eine Bewegung rechts von ihm ließ Spike aufschauen und er sah eine neue Gruppe von Menschen am Bahnhof ankommen.
Viele hatten ihre Habseligkeiten dabei und auf den meisten Gesichtern spiegelte sich Hoffnung wider.
Hoffnung auf eine Wendung ihres Schicksals, das doch unabänderlich war.
Spike wusste, dass diese Menschen an die Täuschung glauben wollten, dass man sie an einen besseren Ort brachte. Sie glaubten daran, obwohl sie die Gerüchte gehört hatten.
Gerüchte, die überall vom Tod flüsterten. Von Waggons voller Menschen, die in den Tod fuhren. Doch sie wollten nicht daran glauben und die Deutschen hielten die Hoffnung aufrecht, indem sie die Menschen ihre Habseligkeiten mitnehmen ließen.
Spike zögerte nicht lange. Er musste in diesen Zug um zu Dru zu kommen. Seine dunkle Göttin brauchte ihn.
Im notdürftigen Schatten der Bahnhofsgebäude schlich er sich so nah wie möglich an einen der im Schatten stehenden Waggons heran.
Ungesehen reihte er sich ganz vorne in die Schlange der Menschen ein und nur Sekunden später war er mit zwanzig oder dreißig von ihnen in dem engen Waggon zusammengepfercht.
Mühsam unterdrückte er den Blutdurst, der sich sofort meldete und sein uraltes dämonisches Recht forderte.
Sein Bein schmerzte noch immer und auch die Kugel in seiner Brust hatte er noch nicht entfernen können.
Der Zug setzte sich mit einem Ruck in Bewegung und Spike wurde hart gegen die Bretterwand des Waggons geworfen. Fauchend zuckte er zurück, denn die Sonne drang durch die Zwischenräume der Bretter und bohrte sich wie spitze Nadeln in seine Haut.
Brutal schob er die ihn umgebenden Männer auseinander um in die Mitte des Waggons zu kommen, wo kein Sonnenlicht hinkam.
Es dauerte nicht lange und der ganze Wagen stank nach Schweiß und Angst. Spike hörte die Herzen schlagen und das Blut durch die Adern der Menschen rauschen.
Ein Ausruf ließ Panik aufkommen. Man fuhr nicht weiter nach Norden, sondern nun nach Osten.
Fast hätte der Vampir laut aufgelacht. Hatten diese Menschen wirklich gehofft zu entkommen?
Treblinka. Das Wort pflanzte sich wie Unkraut fort, wie eine unaufhaltsame Welle schwappte sie über die Menschen in dem engen Waggon hinweg.
Spike wartete. Der Zug rollte unaufhaltsam seinem Ziel entgegen.
Er würde seine dunkle Göttin dort wieder sehen, dass wusste er.
Die Sonne war nur noch sehr schwach, als der Zug langsamer wurde und schließlich mit einem kreischendem Geräusch hielt.
Grob zusammengehauene Bretter hielten die Illusion eines Bahnhofs aufrecht. Männer mit Gewehren auf den Schultern standen in strammer Haltung da. Andere hatte Hunde an der Leine neben sich und wieder andere eilten hin und her.
Die Waggontüren wurden aufgestoßen und die Menschen wurden mit Befehlen oder auch Schlägen aus den Wagen getrieben.
Hinter dem Bahnhof lag das Lager Treblinka.
Rufe wurden laut, Befehle gebrüllt.
„Alles ausziehen und in geordnete Stapel legen. Schuhe auf einen Haufen, Hosen, Hemden.
Frauen auf die linke Seite, Männer auf die rechte Seite. Ihr werdet jetzt untersucht.“
Die Menschen taten wie ihnen befohlen. Ein Mann wollte sich nicht von seiner Frau und seinem Kind trennen. Ein kurzer Befehl, das Ziehen einer Pistole, dann ein Schuss, das Weinen einer Frau und das hohe Schreien eines Säuglings.
In all dem Chaos bemerkte niemand die fehlenden Bretter in der Außenseite des letzten Waggons und niemand nahm im Dunkel der heranbrechenden Nacht den leisen Schatten wahr, der sich auf der anderen Seite des Zuges davon schlich und in dem nahen kleinen Wäldchen untertauchte. Erst viel später beim Überprüfen der Waggons fiel das Loch auf, durch das gerade mal ein einzelner Mensch passte.
Da jedoch bei der Überprüfung der Namen keiner der Häftlinge gefehlt hatte, maß man dem keine allzu große Bedeutung bei.
 
Die Tränen liefen ihm die Wangen hinunter, als die Bilder vor seinem inneren Auge erschienen. Noch deutlich sah er die Enttäuschung und Angst auf den Gesichtern der Neuankömmlinge. Sah, wie alte Insassen die Hosen und Jacken nach Wertstücken durchsuchten.
Juden waren gute Geschäftsleute, Juden waren immer reich.
Emotionslos wühlten sie in den Gepäckstücken und legten alles, was sie fanden fein säuberlich auf einen Haufen, so wie es schon andere bei ihnen getan hatten.
Spike schrie in seiner Verzweiflung auf. Doch es war nicht nur seine eigene Verzweiflung, die er spürte, nicht allein sein Schmerz. Es war gleichzeitig auch ihr Schmerz und der Schmerz all seiner Opfer. Sie tobten in seiner Brust und in seinem Kopf.
Hämmerten mit ihren Erinnerungen gegen seine Stirn und ließen ihn nicht los, würden ihn nie wieder los lassen.
 
Spike wartete bis kurz vor Mitternacht. Noch lange hörte er die scharfen Befehle der Soldaten und ab und zu das Weinen der Häftlinge.
Von fern sah er wie die Menschen in eine große Baracke geführt wurden.
Danach wurden sie in andere Baracken geführt und schließlich legte sich eine bleierne Stille über das Arbeitslager von Treblinka.
Vorsichtig umschlich er den oberen Teil, es war ein großes Areal und an der südlichen Seite endete es in einer Strasse, die ins Nirgendwo zu führen schien.
Spike konnte über dem Eingangstor zu dieser Strasse ein Schild erkennen.
„Himmelsstrasse“
Davon hatte er schon gehört. Ein Flüchtling hatte es einem Bauern auf dem Land erzählt und der hatte es einem anderen erzählt, der wiederum es jemanden erzählt hatte, der ins Ghetto kam.
Diese Strasse führte nicht ins Nirgendwo, sie führte in den Tod.
Spike wusste mit absoluter Sicherheit, dass er nur dieser Strasse folgen musste, um seine dunkle Göttin, seine Drusilla wieder zu finden.
Nun gut, nicht nur sein Instinkt sagte ihm das. Drusilla konnte es nicht geschafft haben.
Sie war nicht nur körperlich zu schwach, um im Arbeitslager überleben zu können, sondern sie war auch zu verrückt.
Spike hoffte nur, dass er nicht zu spät kam und jemand entdeckt hatte, was genau Drusilla war. Denn wenn sich die Deutschen die Mithilfe von Vampiren sicherten, um die Verstecke der Juden in den Ghettos ausfindig zu machen, dann wussten sie auch, wie man solche tötete.
Lautlos schlich er an dem hohen Drahtzaun entlang immer parallel zur Strasse.
Gerade mal zwei Meilen war sie lang, dann war wieder ein eisernes Tor, das fest verschlossen war.
Dahinter standen nur wenige Baracken und am Ende des Lagers waren große Hallen, die wie Lagerhallen aussahen. Spike entschied sich, abzuwarten und sich außerhalb einen Platz zu suchen, wo er für den Tag vor der Sonne geschützt sein würde.
Wieder wandte er sich dem Wäldchen zu und durchquerte es in der Hoffnung, eine Höhle oder etwas Ähnliches zu finden.
Auf einer kleinen Felsanhöhe fand er schließlich, was er gesucht hatte und verkroch sich so tief es ging in die kleine Felsspalte. Er würde früh genug aufwachen müssen, um sich notfalls tiefer in die Höhle zu verkriechen, zum Schutz vor der Sonne.
Diese war noch nicht aufgegangen, als Spike durch die schrillen Pfiffe geweckt wurden, die im Lager unterhalb seiner Anhöhe laut wurden.
Vorsichtig schlich er bis an den Rand seiner Höhle und starrte auf das, was unterhalb von ihm geschah.
Er hatte fast einen gesamten Blick über das Lager und sah nun, wie die Häftlinge aus ihren Baracken traten und sich in einer Reihe vor diese stellten.
Ihre Namen wurden aufgerufen und sie mussten sich durch Rufen bemerkbar machen.
Dann wurden sie alle zusammen zu den zwei großen Hallen getrieben und in kleine Gruppen aufgeteilt.
Bis auf das Brüllen der Befehle war nichts zu hören und es lag eine fast gespenstische Stille über dem ganzen Platz.
Eine Bewegung weiter rechts von ihm, ließ Spike den Kopf drehen um zu sehen, was es war.
Wie eine Geistererscheinung kam ein Tross Männer, Frauen und Kinder die lange, gerade Strasse entlang. Man hörte nichts außer den Schritten und dem leisen Summen eines Liedes, dass den Marsch begleitete.
Spike lief eine Gänsehaut über den Rücken, als er sah, wie die Menschen durch das Tor traten und dann vor den kleinen Türen der Hallen stehen blieben.
Sie konnten es nicht sehen, doch Spike erkannte die anderen Häftlinge, die auf der Rückseite der großen Halle mit den riesigen Schiebetüren warteten.
Und er wusste, was das bedeutete.
Die Gruppe vor der Halle musste sich ausziehen und dann verschwanden sie im Inneren der beiden Gebäude. Die Frauen im Linken und die Männer im Rechten.
 
„Mein Geliebter! So viele, die starben. So viele Sterne, deren Blut ich nicht trinken konnte, weil es vergiftet war.“
Verzweifelt hielt Spike sich die Ohren zu. Er wollte das nicht hören, er hatte es schon oft genug gehört. Dru hatte es ihm hinterher genau beschrieben, doch diesmal war es anders.
Diesmal empfand er nicht Drus wildes Verlangen nach Blut, sondern die Hoffnung und Verzweiflung der Menschen.
Fast konnte er sich die gekachelten Räume vorstellen, von denen Drusilla ihm erzählt hatte.
Ihm wurde schlecht, als er daran dachte.
Sie hatte ihm von den Räumen erzählt, deren Fußboden nach hinten hin schräg abfiel und von den Duschköpfen, die aus den Wänden ragten.
Ein Wimmern entkam seiner Kehle. Warum quälte sie ihn so, warum quälten sie ihn alle so?
Konnten sie ihn nicht in Ruhe lassen?
Als hätte Drusilla ihn gehört, hockte sie sich vor ihn hin und schüttelte in gespielter Missbilligung den Kopf.
„Miss Edith wäre sehr böse, wenn sie das wüsste. Mein böser Liebling hat Mitleid mit all den Sternen. Das braucht er nicht, es war ihre Bestimmung.“
„Hör auf!“ Spike schrie sie an, wollte sie allein dadurch zum Schweigen bringen, sie alle.
Dru sah ihn beleidigt an und stand dann auf. Kurz wandte sie sich von ihm ab und ihre Stimme veränderte sich wieder.
„Hör auf? Hör auf? Hast du denn aufgehört? Hast du das Monster zurück gehalten, als sie uns getötet hat? Als sie meine Kinder getötet hat? Und mich?“
Die Frau aus dem Versteck hinter dem Bücherregal drehte sich zu ihm um und starrte anklagend auf ihn nieder.
„Ich konnte nicht, ich war...“
„Was warst du? Das was du immer warst, was du jetzt bist und was du immer sein wirst!“
Buffy sah ihn hart an.
„Du bist ein Monster. Und du wirst es immer bleiben. Deshalb wird sie dich auch nie lieben. Aber ich bin hier. Ich liebe dich. Ich brauche dich so wie du bist.“
Sie begann eine alte Weise zu summen und er wurde ruhig.
 
Die Luft hallte wieder von Menschen , die schrieen. Er hörte ihre verzweifelten Stimmen, die bis zu ihm hinauf drangen. Er wusste nicht, was mit ihnen geschah. Stumm stand er da und wartete. Die Schreie wurden leiser und verstummten schließlich. Eine Weile schien es, als würde gar nichts passieren, doch dann drang der Befehl der Wächter an sein Ohr.
„Türen öffnen!“
Die Häftlinge, die hinter dem Gebäude gewartet hatten, schoben die schweren , großen Tore auf und Spike starrte voller Entsetzen auf das Bild , das sich ihm bot.
Selbst er , als grausamste Kreatur der Erde , hatte sich das nicht vorstellen können.
Er hatte schon viele Kriege miterlebt, hatte sich an dem Chaos gelabt, hatte sie ausgenutzt.
Aber das hier, das war keine Krieg mehr, das war nicht einmal mehr bloßer Mord.
Das war Unmenschlichkeit in reinster und grausamster Form.
Gebannt starrte er auf das Schauspiel , das sich ihm bot. Hinter den Toren lagen sie, übereinander, nebeneinander, durcheinander.
Mit leeren Gesichtern begannen die Gefangenen , die Toten auf Karren zu laden.
Sie brachten sie einige hundert Meter außerhalb des Lagers zu einer riesigen Grube.
Über ihr lag der grausige Geruch des Todes, Spike hatte es schon in der vergangenen Nacht gerochen, schon als der Zug am Bahnhof eingefahren war.
Die Toten wurden an den Rand der Grube gebracht, wo andere Gefangene ihre Münder nach Gold absuchten. Dann wurden sie einfach in die Grube geworfen.
Manche waren noch nicht wirklich tot, Kinder die von ihren Müttern geschützt worden waren, atmeten noch schwach. Doch es wurde kein Unterschied gemacht. In wem noch zu viel Leben war, wurde an den Rand der Grube geschafft und dort erschossen.
Ab und zu war das verzweifelte Aufschreien eines Häftlings zu hören, wenn er jemanden unter den Toten wieder erkannte.
Ein Befehl, ein Schuss und ein anderer Häftling nahm seinen Platz ein.
 Spike konnte ihre leeren Gesichter erkennen, die meisten schauten nicht einmal auf, wenn sie die Körper auf die Karren hoben.
Kein Erkennen, kein Schmerz.
 
Die Tränen rannen nun ungehindert über sein Gesicht , als Dru sich ihm zuwandte.
„Mein Geliebter. Weine nicht um sie. Sie waren Gott so nah. Ich wollte ihm auch nah sein, aber ich durfte es nicht, sie ließen mich nicht. Doch für einen kurzen Moment...“ Ihre Stimme verlor sich, als sie in ihren Erinnerungen schwelgte.
„Erinnerst du dich? All diese Körper. So warm, so voller Blut, so voller Leben. Meine Sterne und er hat sie mir genommen, hat ihr Blut für die Ewigkeit vergiftet.“
Spike hätte sich übergeben, wenn es ihm möglich gewesen wäre. Er kroch in eine Ecke des Kellerraumes und streckte ihr abwehrend die Hände entgegen, so als könne er damit auch gleichzeitig die furchtbaren Erinnerungen abwehren.
Selbst damals hatte es ihn schockiert, doch heute waren sie alle da. Starrten ihn an, penetrierten ihn mit ihren Stimmen, gaben ihm die Schuld an ihrem Tod.
Wieso hatte er es nicht verhindert? Wieso hatte er sie dort liegen gelassen? Wieso hatte er ihnen nicht geholfen, wie er seiner Geliebten geholfen hatte?
 
Er wusste nicht, wie lange er im Schutz der Felsspalte auf dieses Szenario gestarrt hatte. Er hatte nicht gemerkt, wie die Zeit verging. Im Licht der langsam untergehenden Sonne stand er noch immer da und starrte entsetzt auf das Lager.
Längst hatte er aufgehört darauf zu achten, wie oft Gruppen zu den Hallen geführt worden waren. Es schienen ihm unendlich viele.
Plötzlich kam Bewegung in die Wächter. Rufe wurden laut und bewaffnete Männer in schweren Stiefeln rannten zur Rückseite der Halle.
Er hörte ihr Jammern , noch bevor er sie sah. Langsam kam sie aus der Halle heraus, nackt wie alle anderen auch, die Arme ausgebreitet und er konnte ihr liebliches Gesicht sehen.
Noch bevor sie ganz hinausgetreten war, hatten die Männer sie bereits gepackt und zerrten sie zum Rand der riesigen Grube.
Sie versuchte nicht einmal sich zu wehren, sondern stand mit dem Rücken zu den Männern an der Grube und starrte in verzücktem Entsetzen auf die blanken Körper.
Spike konnte ihren Singsang fast hören und beobachtete , wie sie sich hin und herwiegte.
Dann sah er wie ein Wächter sein Gewehr hob, er hörte den Schuss und sah , wie Dru sich in Verwunderung umdrehte und dann langsam in sich zusammensackte.
Ein Stiefeltritt beförderte sie hinunter und es dauerte nicht lange, da kehrte wieder Ruhe ein.
Diese schweigende Stille die über allem hing.
Nur das schrecklich laute Kreischen der großen Bagger war zu hören, die eine neue Grube, ein neues Grab aushoben, unweit der Stelle , an der das andere bereits existierte.
Spike wartete bis es vollständig dunkel war und das Lager in absoluter Stille dalag.
Er schlich den kurzen Weg durch den Wald hinunter bis hin zu den Gruben.
Der Gestank war nicht mehr ganz so bestialisch, wie er in der Hitze des Tages gewesen war.
Doch noch immer roch Spike das Blut der Körper tief unten in der Grube.
Sie war frisch ausgehoben, denn ihr Boden war noch nicht einmal zur Hälfte bedeckt.
Vorsichtig ging er an der Grube entlang und ließ seinen Dämon an die Oberfläche, um besser sehen zu können.
Dann sah er sie. Seine dunkle Göttin lag da und rührte sich nicht.
Spike versuchte vorsichtig, einen Weg zu ihr herunter zu finden, ohne die anderen Toten berühren zu müssen. Doch es war ihm einfach nicht möglich und wenn er vor Sonnenaufgang seine Geliebte hier heraus haben wollte, dann musste er sich beeilen.
Also seufzte er einmal tief auf, sprang in die Tiefe und achtete nicht darauf, wo er hintrat.
Er konzentrierte sich ganz darauf, zu Drusilla zu gelangen und als er sie schließlich hochhob, sah er sich einem anderen Problem gegenüber.
Für ihn allein war es sicher kein Problem, aus der Grube wieder hinauszukommen, doch mit Drusilla auf den Armen war es fast unmöglich.
Ärgerlich schüttelte er sie, denn langsam begann sich sein Blutdurst zu melden, den er bis jetzt erfolgreich durch den Ekel gegenüber den Gräueltaten unterdrückt hatte.
Sie gab ein schnaufendes Geräusch von sich und schlug die Augen auf.
„Ich kann die Sterne sehen, Spike.“ Sie streckte ihre Hand nach oben, als wolle sie nach den Sternen am Nachthimmel greifen.
Spike hatte jedoch dafür im Moment gar kein Verständnis. Er wollte sich nicht einmal vorstellen, was Dru machen würde, wenn sie erst der vielen Toten um sich herum gewahr wurde. Noch bevor er die Vorstellung ganz verdrängen konnte, bewegte sie sich in seinen Armen und begann gegen ihn zu kämpfen.
„Lass mich gehen Spike. Ich will nicht hier bleiben. Meine Sterne sind fort, ich will zu ihnen.“
Sie begann an der Seite der Grube empor zu klettern und einmal mehr war er fast dankbar, dass sie so verrückt war.
Noch immer geschwächt brauchte sie etwas länger als er, um oben anzukommen und er zog sie die letzten Meter einfach an der Hand zu sich hoch.
„Lass uns hier verschwinden, Liebes.“
Er zog sie hinter sich her und sie ließ es sich widerstandslos gefallen, bis sie nach einigen Meter anfing zu quengeln.
„Spike, ich habe Hunger und es tut weh.“ Sie setzte sich zur Wehr und er packte sie hart an der Schulter.
„Verdammt Dru, wenn du nicht willst, dass es nie mehr weh tut, dann schrei ruhig weiter hier durch die Gegend.“ Sie verzog weinerlich das Gesicht und er gab sofort nach. Er konnte es einfach nicht ertragen sie so zu sehen.
„Mein Liebling, wir müssen hier erst einmal weg. Ich weiß einen Platz, an dem du dich ausruhen kannst und genug zu essen bekommst. Versprochen.“
Ein glückliches Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie ihm nun wieder durch den kleinen Wald folgte.
„Versprich es mir Spike. Und einen Platz, an dem ich meine Sterne sehen kann, ja?“
Er nickte und bedeutete ihr dann, ganz still zu sein, als sie sich dem oberen Lager näherten.
Spike hieß Dru sich am Waldrand zu verbergen und schlich sich leise an das zusammen gehämmerte Gerüst heran, das Bahnhof genannt wurde.
Er fluchte lautlos, als er sah, dass kein Zug da war. Das hieß, sie mussten bis zum Morgengrauen warten, wenn die ersten Züge aus dem Warschauer Ghetto ankommen würden.
Das hieß aber auch gleichzeitig, dass sie eventuell den tödlichen Strahlen der Sonne ausgesetzt waren und vor allem, dass er Dru noch mindestens ein bis zwei Stunden ruhig halten musste.
Doch als er gerade wieder zu Dru zurückkehren wollte, hörten seine empfindlichen Ohren den Zug, der sich unaufhaltsam näherte.
Er eilte zu seiner Geliebten und zusammen versteckten sie sich auf der gegenüberliegenden Seite des Bahnhofs und warteten.
 
Spike war allein. Endlich ließen sie ihn in Ruhe. Erschöpft rollte er sich auf dem kalten Betonboden zusammen und schloss die Augen.
Nur ein paar Stunden Schlaf, um mehr bat er nicht. Ein paar Stunden, in denen sie ihn nicht quälten, ihn nicht an all seine Taten und Verbrechen erinnerten.
Langsam begann er in einen unruhigen Schlaf zu driften, doch die Erinnerungen ließen ihn selbst dann nicht los.
 
Drusilla und er waren in diesen Zug gestiegen, oder vielmehr hatten sie die Bretter an der Rückseite des Waggons aufgerissen und hatten sich dort, unbemerkt von den Wächtern, versteckt. Die Dämmerung war selbst für einen Vampir noch nicht spürbar gewesen und so hatte er sich und seiner dunklen Göttin eine halbe Stunde Ruhe gegönnt.
Doch dann hatte er sie geweckt und sie trotz ihrer Klagen und Gegenwehr mit sich aus dem Waggon gezogen.
Spike war es egal, wo sie landeten, aber er wusste eins: Zurück in das Ghetto wollte er auf keinen Fall. Und so standen sie einige Minuten in dem grünenden, kniehohen Feld und er lauschte dem davon fahrenden Zug. Dann drehte er sich mit einem Schulterzucken um und hob Dru auf seine Arme, da sie noch immer sehr geschwächt war.
Er musste zusehen, dass sie Nahrung bekam und auch er konnte gut etwas Blut gebrauchen, denn seine Schusswunde war noch immer nicht wieder ganz verheilt.
Vor sich hin fluchend eilte er durch die dunklen Felder und kleinen Wäldchen, die diesen Landstrich ausmachten. Weit und breit war nicht ein verdammtes Bauernhaus zu finden und selbst seine Vampiraugen konnten kein einziges erleuchtetes Fenster ausmachen.
Schon fühlte er den Sonnenaufgang und überlegte bereits, ob es nicht besser war, sich in einem der vielen kleinen Waldstücke zu verbergen, bis es wieder Nacht wurde, als sich plötzlich Nebel bildete, der so dicht war, dass selbst Spike nur noch höchstens zwei Schritte weit sehen konnte.
Erleichtert atmete er auf, denn der Nebel würde ihnen noch wenigstens ein paar Minuten, wenn nicht sogar Stunden, mehr Zeit verschaffen.
Spike konnte nicht mehr rechtzeitig stoppen und rannte, Dru auf dem Arm haltend, mit voller Wucht gegen den hohen, schmiedeisernen Zaun.
Er prallte zurück und konnte den Sturz gerade noch aufhalten. Er stieß kurz einen Schwall Schimpfwörter aus, stoppte dann jedoch abrupt, als ihn die Erkenntnis traf, was das bedeutete.
Ein von Menschenhand errichteter Zaun bedeutete zweifelsohne, dass auch Menschen in der Nähe waren. Er beschleunigte seine Schritte, als er nun am Zaun entlang ging und schließlich zu einem hohen Tor kam. Vorsichtig schlich er näher heran und bemerkte sofort die beiden Wachleute, die mit den Hunden dort patrouillierten. Verdammt, nicht nur dass das hier das einzige Haus weit und breit zu sein schien, wie es aussah, war er auch noch an einen NS Typen geraten.
Denn nach den Uniformen der Wachleute und der Rasse ihrer Hunde zu urteilen, konnte es sich nur um einen deutschen Wehrmachtsoffizier oder etwas höheres handeln.
Spike hatte sich gerade dazu durchgerungen, das Haus Haus sein zu lassen und weiter zu gehen, als Dru wieder anfing zu jammern und die Hunde zu bellen begannen.
„Verdammt“ Er versuchte Drusilla in den Schatten der Bäume zurückzuziehen, doch es war bereits zu spät. Die zwei riesigen Schäferhunde standen mit hoch gezogenen Lefzen knurrend vor ihnen und nur Sekunden später erschienen auch die beiden Wachmänner mit angelegten Gewehren.
„He da. Sie. Rauskommen. Und keine falsche Bewegung, wir sind bewaffnet und treffen. Geben Sie sich zu erkennen.“
Spikes Gehirn arbeitete auf Hochtouren und dann legte sich ein entschlossener Zug um seinen Mund. Er packte Dru hart am Arm und sie wimmerte leise auf.
„Hey, nicht schießen. Ich bin Williams und hab hier eine entlaufene Irre. Ich wollte sie nach Treblinka bringen, aber der verdammte Nebel hat mir `nen Strich durch die Rechnung gemacht und die Scheiß Karre ist mir schon vor ein paar Kilometern verreckt.
Jetzt muss ich das verdammte, verrückte Weibsbild zu Fuß dahin bringen.“
Deutlich konnte er nun die beiden bulligen Kerle erkennen, denen man schon von weitem ansah, dass sie nicht über allzu viel Gehirn verfügten.
Zufrieden sah er wie sie die Gewehre sinken ließen und sich näherten.
„Man, ich hoffe das hat bald ein Ende mit diesem ganzen Pack. Aber wie der Führer immer sagt: die Endlösung steht bevor.“ Sie machten die zackige Bewegung und riefen voller Stolz die Parole, die Spike wider Willen ebenfalls bezeugen musste, um nicht aufzufallen.
Am liebsten hätte er den beiden Idioten hier und auf der Stelle die Kehle aus dem Hals gerissen, damit sie nie wieder so einen Müll von sich geben konnten.
Doch erst musste er wissen, an wen er und Dru hier geraten waren.
 
Die Wachmänner brachten ihn und seine Geliebte ins Haus und in ein großes Wohnzimmer.
Erstaunt sah Spike sich um und ihm kam während der halben Stunde, die sie warten mussten, nicht nur einmal die Frage in den Sinn, woher der Besitzer all diese Reichtümer hatte.
Allerdings konnte er es sich durchaus denken.
Langsam begann er sich ernsthaft Sorgen um seine dunkle Göttin zu machen, denn mittlerweile saß sie völlig apathisch auf dem Sofa und wimmerte nur noch ab und zu vor sich hin. Sie brauchte unbedingt Blut und er hoffte sehr, dass sie nicht mehr allzu lange darauf warten mussten. Er verspürte eine geradezu vampirische Genugtuung dabei, wenn er daran dachte, diesen Bestien hier die Kehle aufzureißen.
 
Die große Flügeltür am Ende des Raumes öffnete sich und ein in Militäruniform gekleideter Mann kam herein. Sein Haar wurde bereits schütter, doch er hatte nichts von seiner strengen militärischen Haltung verloren, als er Spike mit dem obligatorischen Gruß willkommen hieß.
Hinter ihm kam eine sehr viel jüngere blonde Frau herein und stellte sich hinter ihren Mann.
„Herzlich Willkommen in meinem kleinen Heim. Ich bin Volker Groth und das ist meine Frau Heidrun. Setzen Sie sich doch. Liebling? Würdest du uns etwas zu trinken holen?“
Der Mann machte eine große Geste in Richtung der Couch, stockte dann und ließ seinen Blick kurz über Drusilla gleiten.
„Vielleicht sollten wir die Frau lieber in einem der Zimmer einsperren? Man weiß ja nie bei solchen Subjekten, oder?“ Fragend blickte er zu Spike, der bisher noch keinen Ton gesagt hatte.
„Also, ich würde sie lieber hier behalten. Da hab ich sie im Auge, sie ist ein bisschen verrückt.“ Spike würde seine dunkle Göttin nicht noch einmal aus den Augen verlieren.
Neugierig sah die Frau erst auf Dru und reichte ihm dann ein Glas Wein.
Der Mann nickte nur und setzte sich in einen Sessel, welcher vor dem mehr als pompösen Kamin stand.
„So und was genau hat sie also hergebracht?“
„Darling? Ich habe Hunger. Und ich kann meine Sterne nicht sehen? Spike? Wo sind meine Sterne?“ Drusilla erwachte aus ihrer Apathie und sah sich suchend um, bis ihr Blick auf der Frau hängen blieb, die nun hinter dem Sessel stand in dem ihr Mann saß, ganz das perfekte Bild der braven deutschen Frau, die ihrem Mann völlig ergeben ist.
Drusilla zuckte zusammen und drückte sich fast schutzsuchend an ihren Geliebten.
„Spike? Was tun wir hier? Wieso sind wir bei den Wölfen? Ich will sie nicht sehen? Sie haben meine Sterne getötet, sie alle heruntergeholt und zertreten. Töte sie Spike, töte sie.“
Mit den letzten Worten erschien ihr Dämon an der Oberfläche und die Frau stieß einen erschrockenen Schrei aus.
Der Mann sprang erschrocken auf.
„Was ist denn mit Ihrer Gefangenen los?“ Drusilla schlich sich förmlich an das Ehepaar heran.
„Halten Sie sie zurück, oder ich rufe meine Leute.“
Mit einem Grinsen erhob sich Spike langsam, stellte sich hinter seine dunkle Göttin und hauchte ihr einen Kuss auf den Nacken. Er hob den Kopf und sah das Ehepaar über Drus Schulter hinweg freundlich und schon fast mitleidig an.
„Mh, Sie wollen ihre zwei Vollidioten rufen? Um genau was zu tun? Uns aufzuhalten?“
Drusilla kicherte in sich hinein und machte einen weiteren Schritt auf die kleine Frau zu, die sich nun halb hinter ihrem Mann versteckte und in faszinierten Grauen auf die schlanke, dunkelhaarige Frau starrte, die anfing leise vor sich hinzumurmeln.
„Miss Edith mag sie nicht, und Miss Edith hat immer Recht. Sie sagt, die böse Frau mag keine Sterne und deshalb mögen wir sie auch nicht. Spike?“
Sie drehte sich zu ihrem Geliebten um und schlang ihre Arme um seinen Hals.
Dieser ließ die beiden, nun vor Angst wie erstarrten Menschen, nicht eine Sekunde aus den Augen.
„Mh?“
„Spike? Wo ist meine Miss Edith? Ich habe sie schon überall gesucht.”
„Liebes, deine Puppe wartet zu Hause auf dich und deshalb sollten wir zusehen, dass wir langsam mal hier wegkommen.“ Der Vampir zog seine Geliebte näher an sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, ohne jedoch die Augen von dem deutschen Ehepaar zu wenden.
„Sie sind gar kein Deutscher! Und die Frau ist auch nicht Ihre Gefangene!“
Der Mann versuchte seine Angst hinter der Empörung zu verbergen, doch hörte Spike deutlich die Unsicherheit und das Zittern in seiner Stimme.
„Ach, was soll ich sagen?“ Spike verwandelte sich und grinste böse.
„Dru, Liebling, wollen wir?“ Noch einmal küsste er seine Geliebte und stürzte sich dann mit einem Knurren auf den Mann.
Er packte ihn und ignorierte die spitzen Angstschreie der Frau, die in eine Ecke des Zimmers geflüchtet war.
Doch bevor er den Mann beißen konnte, spürte er eine zarte Hand auf seinem Arm und hörte Drusillas Stimme.
„Liebling, nicht von ihnen trinken!“ Fragend hob Spike den Kopf vom Hals des Mannes.
„Sie sind vergiftet, sie haben meine Sterne getötet. Wenn du von ihnen trinkst werden sie auch dich vergiften.“
Spike hob genervt eine Augenbraue, doch wie immer konnte er dem schmollenden Mund und den flehenden Augen seiner dunklen Göttin nicht widerstehen.
„Also, Liebes, was soll ich mit ihm machen?“
Sie lächelte und wieder einmal bewunderte er die Grausamkeit, die unter der kindlichen Oberfläche seiner Gefährtin schlummerte.
Sie wandte sich um und ging mit langsamen Schritten auf die blonde Frau zu. Diese war mittlerweile in sich zusammengesunken und kauerte in der Ecke. Sie schluchzte ungehemmt und murmelte immer wieder vor sich hin.
„Ich bin doch Deutsche. Tun Sie mir nichts. Ich bin doch Deutsche.“
Spike packte den Ehemann fest im Nacken und zwang ihn dem Schauspiel beizuwohnen.
„Sieh hin. Kannst du es dir vorstellen? Wie sich all die Männer gefühlt haben, wenn sie die Leichen ihrer Frauen in die Grube werfen mussten? Sieh hin!“
Der Mann versuchte den Kopf weg zu drehen, doch Spike packte ihn nur noch härter und hielt ihn mit Gewalt in Position.
„Bitte, was wollen Sie? Ist es Geld? Der Tresor ist in meinem Arbeitszimmer, nehmen Sie was sie wollen. Aber lassen Sie uns am Leben. Was haben wir ihnen denn getan?“
Dru kniete sich vor der Frau nieder und ihre Vampirfratze verschwand. Ihr liebliches Gesicht erschien wieder und ein unschuldiges, fast sehnsüchtiges Lächeln legte sich um ihren Mund.
Spike wusste genau was nun geschehen würde.
Sacht strich Drusilla der Frau das blonde Haar aus dem Gesicht und steckte es hinter ihrem Ohr fest. Zart streichelte sie der Frau über die Wange und hob dann deren Kinn.
Spike erwartete fast, dass die Deutsche jeden Moment in Ohnmacht fallen würde, doch sie sah Drusilla nur wie hypnotisiert an.
„Wieso hast du meine Sterne getötet? Ich kann sie nicht mehr sehen. Spike? Sag ihr, wie gerne ich immer den Sternen zugehört habe, am Strand!“
Spike nickte mit einem Grinsen.
„Liebes, mach hin, sonst haben wir gleich ne ganze Armee, die uns auf den Fersen ist. Und ich hab dazu echt keinen Bock.“
Sie wandte sich wieder um, hob in einer fließenden Bewegung ihre Hand und nur einen Moment später zeigte sich eine dünne, rote Linie am Hals der Frau.
Mit einem Schmerzensschrei fasste sie sich an den Hals, doch es kam nur noch ein gurgelnder Laut aus ihrer Kehle und mit einem letzten, verzweifelten Blick auf ihren Ehemann kippte sie zur Seite.
Ein Schrei entfuhr dem Mann und er versuchte sich verzweifelt aus Spikes Griff zu entwinden.
Spike ließ ihn los und er torkelte zu seiner Frau und ging neben ihr in die Knie.
„Was habt ihr getan? Sie war unschuldig, wieso habt ihr das getan?“
Er konnte nicht weiter sprechen, denn Spike zog ihn brutal wieder auf die Füße und fauchte ihn an.
„Was sie getan hat? Was haben Euch die Juden getan, die ihr zu so vielen getötet habt?“
Der Mann sah von Spike zu Dru, als verstünde er nicht, was genau sie von ihm wollten.
„Aber das sind doch nur Juden, das ist etwas ganz anderes.“
Spike packte ihm am Hals und hob ihn ein paar Zentimeter über den Boden hoch.
Dann ließ er ihn wieder hinunter und umfasste sein Kinn und legte die andere Hand in den Nacken.
„Sehen Sie, das war ihr Fehler, sie waren nur Juden. Und wissen Sie auch was Ihr Fehler ist?“
Er machte eine kurze, ruckartige Bewegung und der Körper des Mannes entglitt seinen Händen und viel leblos auf den Boden zu seinen Füßen.
„Sie sind Deutscher!“
Er würdigte das toten Ehepaar keines Blickes mehr und wandte sich zu Drusilla um.
„Komm schon Liebes, lass uns endlich hier verschwinden. Bevor die Wachen sich hier blicken lassen.“
Er packte Drusilla, die noch immer verträumt neben der Frau hockte, am Arm und zog sie hoch.
„Jetzt kann sie meinen Sternen nie wieder etwas tun, nicht wahr Spike?“
„Nein, Liebes, nie wieder. Komm lass uns endlich hier verschwinden, ok?“
Drusilla nickte und folgte ihm mit einem glücklichen Lächeln.
 
Spike erwachte als er die leise Stimme vernahm.
„Spike?“
Er drehte den Kopf, doch als er sah, wer es war, schloss er wieder stöhnend die Augen.
„Lass mich. Geh und lass mich in Ruhe.“
„Spike. Komm schon. Steh auf.“
Wieder drehte er sich von der Stimme weg. Er wollte sie nicht hören, wollte nicht die samtige Stimme seiner Jägerin hören, die ihn quälte und folterte.
Erinnerungen überfluteten ihn wieder.
Nur mit knapper Not waren er und Drusilla den Wachen der Deutschen entkommen.
Nicht ohne dass er einige von ihnen hatte töten müssen.
Schließlich waren er und Drusilla über die Tschechoslowakei nach Griechenland geflüchtet.
Doch auch hier hatte der Krieg Spuren hinterlassen und sie hatten dem zerrütteten Land bald den Rücken gekehrt.
 
„Spike! Verdammt steh endlich auf.“
Sie kam auf ihn zu und streckte ihre Hand nach ihm aus.
Spike wich zurück. Wieso konnte sie ihn nicht in Ruhe lassen. Wieso musste sie ihn immer und immer wieder quälen?
Hatte er es nicht wieder gut gemacht? Hatte er nicht zumindest ein paar der Gestorbenen gerächt, die ihr Leben in dieser bösartigen Maschinerie gelassen hatten?
Wieso quälte sie ihn weiter?
„Lass mich in Ruhe! Hörst du! Ich will es nicht mehr hören! Du hast gewonnen, ok? Gewonnen!“
Er spie ihr die Worte förmlich ins Gesicht, obwohl er wusste, dass es nur einen einzigen Gewinner geben konnte. Sie würde immer gewinnen. Solange er sie liebte, würde sie ihn weiter quälen können.
Nur für sie hatte er den Funken entfacht, der nun lichterloh in ihm brannte und durch nichts je wieder zu löschen sein würde.
 
Fast hätte er aufgeschrieen als er die zarte Hand auf seinem Arm spürte, die ihn unerbittlich hochzog.
Erstaunt starrte er auf die Finger- ihre Finger. Wieso konnte sie ihn anfassen, dass hatte sie noch nie vermocht.
Er hob den Blick und sah in die grünen, mitleidig blickenden Augen der Jägerin.
„Komm schon Spike. Du musst hier raus, sonst wirst du noch verrückt.“
Sanft aber bestimmt schob sie ihn zur Kellertür und er ließ es geschehen.
Ließ es geschehen, dass sie ihn aus dem Keller holte, ihn aus den Klauen seiner Erinnerung befreite und seiner Seele neues Leben einhauchte.
 
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